Nach Enteignungsdebatte: viertgrößter Berliner Immobilienkonzern greift an

Erklärung der Covivio Mieter*innenvernetzung: Covivio plant über die Hälfte seiner Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln

„Man wohnt mit der Angst, dass irgendwann der neue Besitzer vor der Tür steht und mich als jahrelange Mieterin, als nicht wirtschaftlich ansieht. (…) Dass ich meinen geliebten Kiez, der Ort meiner Kinder verlassen muss. Und das nicht weil ich es möchte, sondern weil ich zu wenig profitabel bin.“ So beschreibt eine langjährige Weddingerin und Covivio-Mieterin, Mutter von vier Kindern ihre aktuelle Situation.

Ein Schild mit der Aufschrift: "Für dich: geldanlage. Für uns: Zuhause."

Antworten der Bezirksverordnetenversammlungen aus neun Berliner Bezirken zeigen: Covivio plant mindestens 64 % der Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Damit heizt der börsenorientierte Konzern Verdrängung und Spekulation auf dem Berliner Wohnungsmarkt weiter an.
Die Covivio Mieter*innen wissen längst, dass Covivio das Prinzip der Gewinnmaximierung über die Bedürfnisse der Mieter*innen stellt: Sie sind es gewohnt, dass bei Nebenkostenabrechnungen zu viel abgerechnet wird, dass die Verwaltung bei Problemen mit der Wohnung nicht erreichbar ist, dass die Mietpreisbremse nicht ordentlich umgesetzt wird und dass Mängel generell sehr unwillig und viel zu spät behoben werden. Kurz: Der Konzern versucht mit minimalem Aufwand den maximalen Profit aus den Mieteinnahmen zu ziehen.
Durch die geplante Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geht der Konzern nun einen Schritt weiter. Langfristig provoziert er damit steigende Mieten, Kündigungen und Spekulation mit Wohnraum.

Als einer der führenden europäischen Immobilienkonzerne besitzt Covivio 15.800 Wohneinheiten in Berlin und ist damit die viertgrößte Eigentümerin in Berlin. Als erfolgreiche Aktiengesellschaft gilt Covivios einziges Interesse offensichtlich der Profitmaximierung.
Jede Möglichkeit, die Mieten zu erhöhen wird schamlos ausgenutzt, um die Renditen der Anleger*innen zu steigern. Die Umwandlungswelle von Miet- in Eigentumswohnungen (2018) in Neukölln hat gezeigt, dass die Covivio bereit ist, massenhaft Mieter*innen durch Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen aus ihren Wohnungen zu werfen. Viele Mieter*innen befürchten, dass dies in Wedding, Moabit und Gesundbrunnen ebenfalls passieren wird.

Abgeschlossenheitsbescheinigung als Warnsignal für Umwandlungen

Aktuelle Zahlen untermauern die Befürchtungen der Covivio Mieter*innen: So erreichte die Umwandlungsrate von Miet- in Eigentumswohnungen 2020 ein Rekordhoch. Viele Immobilienkonzerne verfolgten die Strategie, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, um den Einschränkungen des Mietendeckels zu entgehen und möglichst hohe Einnahmen zu erzielen – so auch Covivio. Der Konzern gab bereits im eignen Geschäftsbericht im Jahr 2019 an, die Hälfte seines Wohnungsbestandes in Berlin in Eigentumswohnungen umgewandelt zu haben. Weitere Umwandlungen sind offensichtlich in Planung.
Dies zeigen auch die Angaben von neun Berliner Bezirken, in denen mehrere kleine Anfragen [1] auf Initative der Covivio Mieter*innen gestellt wurden. Gegenstand der Anfragen in den neun Bezirksverordnetenversammlungen war die Frage, für welche der bekannten Covivio-Häuser beim Bezirk eine Abgeschlossenheitsbescheinigungen beantragt wurde.

Eine Abgeschlossenheitsbescheinigung (AB) ist einer der ersten Schritte in Richtung Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Um die einzelnen Wohneinheiten eines Mietshauses als Eigentumswohnungen verkaufen zu können, muss zunächst eine Abgeschlossenheitsbescheinigung bei der zuständigen Bezirksverwaltung beantragt werden. Dabei wird geprüft, ob es sich bei den Wohnungen um separate („baulich abgeschlossene“) Wohneinheiten handelt. Wird eine Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt, können weitere Schritte eingeleitet werden, damit die einzelnen Wohneinheiten schließlich als Eigentumswohnungen verkauft werden können.
Liegt eine Abgeschlossenheitsbescheinigung vor, bedeutet dies nicht zwingend, dass einzelne Wohnungen zeitnah verkauft werden. Abgeschlossenheitsbescheinigungen können auch „auf Vorrat“ beantragt werden, um zu einem späteren Zeitpunkt den Verkauf zu beschleunigen.

Die Angaben der Anfragen zeigen, dass der Konzern insgesamt für mehr als die Hälfte seiner Häuser in den Bezirken eine Abgeschlossenheitsbescheinigung beantragt hat. 12 % der Beantragungen erfolgten allein im Jahr 2020. Im Bezirk Mitte etwa beantragte der Konzern für 1675 von 2584 Wohnungen die Erlaubnis zur Aufteilung. Das sind 64 Prozent der Wohnungen. Im Ortsteil Moabit sind fast alle der 670 Wohnungen betroffen. In Friedrichshain-Kreuzberg ist für 38 von 39 Häusern die Umwandlung entweder geplant, oder bereits vollzogen.

Die darauffolgende Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnung selbst muss jedoch nur in Millieuschutzgebieten vom Bezirk genehmigt werden. Daher gibt es dazu keine Aussagekräftigen Daten, die mittels kleiner Anfragen in den Bezirken abgefragt werden könnten.

Konsequenzen für Mieter*innen

Umwandlung gehört offensichtlich zu Covivios Geschäftsmodell. Dies geschieht auf Kosten der Mieter*innen, deren Nachteile sich wie folgt gestalten:

  • Verdrängung: Konzerne, die neue (Eigentums-)Wohnungen gekauft haben, verlangen hohe Mieten, da die hohen Kaufpreise sich nicht mit den Bestandsmieten ausgleichen lassen. Den Mieter*innen steht zwar ein Vorkaufsrecht zu, jedoch können sich die wenigsten Privatpersonen den Kauf der bewohnten Wohnung leisten. Nach Umwandlung in eine Eigentumswohnung bleiben Mietverträge zunächst unverändert bestehen und es gilt eine Schutz vor Eigenbedarfskündigung von zehn Jahren . Der Verdrängungsdruck wird dadurch aber lediglich aufgeschoben. Erfahrungen von Mieter*innen in umgewandelten Wohnungen zeigen zudem: Konzerne versuchen mit unethischen Mitteln, Mieter*innen vor Ablauf der Sperrfrist von zehn Jahren zur Beendigung des Mietverhältnisses zu bewegen. Mieter*innen berichten von gezielter Lärmbelästigung durch unnötige Bauarbeiten, Beschädigung, Einschüchterung, z.B. durch Nachfordern von vermeintlichen Mietrückständen.
  • Vorkaufsrecht für den Bezirk entfällt: Werden Mietshäuser verkauft, haben die Berliner Bezirke Vorkaufsrecht. Sobald die Wohnungen in Einzeleinheiten aufgeteilt sind, verfällt dieses Verkaufsrecht. Kapitalgesellschaften können so noch mehr Wohnungen kaufen und zu überteuerten Preisen weitervermieten.

Wie lebt es sich damit?

Die Umwandlung von Mietwohnungen ist ein Spekulationsinstrument, das Großkonzernen hilft, sich weiter zu bereichern und Mieter*innen schadet.
Covivio Mieter*innen sind von den Entwicklungen besorgt:
„Es hängt ein Damoklesschwert über uns: Wann wird unsere Wohnung an wen verkauft und droht uns im Anschluss nach spätestens 10 Jahren ein Räumungsklage weil der neue Vermieter Eigenbedarf anmeldet? Ab sofort kann uns das jederzeit passieren, d.h. unsere Wohnung ist uns einfach nicht mehr sicher. Wo sollen wir dann hin?“ so eine langjährige Steglitzer Covivio-Mieterin über ihre aktuelle Situation.

Und jetzt?

Das Ausmaß der geplanten Umwandlungen ist höher als erwartet und macht Angst. Um nicht weiter in dieser Angst leben zu müssen, jeden Moment das eigene Zuhause verlieren zu können, fordern die Covivio Mieter*innen:

  • langfristigen Schutz von allen Mieter*innen vor Verdrängung,
  • ein grundsätzliches Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, wenn diese beim Kauf vermietet sind,
  • und schließlich die Vergesellschaftung und das Verbot von börsennotierten Wohnungsunternehmen wie Covivio, Deutsche Wohnen, Vonovia und Co.!

[1] Anfragen wurden für die Bezirke Spandau, Steglitz-Zehlendorf, Treptow-Köpenick, Tempelhof-Schöneberg, Lichtenberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte gestellt.

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